Es raschelt im Karton: Gewährleistungsrechte beim Online-Tierkauf in der EU

Pressemitteilung vom 06.07.2022 - Inhalte entsprechen den zu diesem Zeitpunkt gültigen Informationen

Der Wunsch nach einem Haustier ist groß. Bleibt die Frage: Muss es der teure Züchter sein? Warum nicht einfach ein Tier im Internet bestellen? Eines sollten Sie sich aber bewusstmachen: Wer Tiere online kauft, für den kann es im wahrsten Sinne des Wortes „haarig“ werden.

 

Online Tierkäufe über die EU-Landesgrenzen hinweg

Angeboten werden Tiere häufig auf Online-Plattformen oder über Social-Media-Kanäle. Katze, Hund & Co. werden aber auch im Rahmen von Online-Auktionen gerne mit niedlichen Bildern beworben.

Nicht selten kommen die Tierverkäuferinnen und -verkäufer aus dem EU-Ausland wie beispielsweise aus Polen, Spanien oder Belgien. Egal, ob Hundewelpe, Kaiman oder Wellensittich. In den meisten Fällen werden den potenziellen Käuferinnen und Käufern vermeintlich gut gepflegte und kerngesunde Tiere angeboten, die sich im Nachhinein oftmals als schwer krank erweisen. Verbraucherinnen und Verbraucher berichten uns von einer Schlange mit Tumor, einem Hund mit Fehlstellung der Gelenke und von Bienen, die aufgrund des langen Transportwegs bei der Ankunft bereits verstorben waren.

Haftung für Mängel: Tiere als Ware?

Ist das Tier aufgrund schlechter Aufzucht oder sonstiger Gründe krank, stellt sich die Frage, wer dafür die Verantwortung trägt. Im Falle einer defekten Kaffeemaschine wäre es eindeutig: Käuferinnen und Käufern stehen EU-weit zwei Jahre lang die gesetzlichen Gewährleistungsrechte zu. Das heißt, dass man in diesem Zeitraum von der Händlerin oder vom Händler Reparatur oder Ersatzlieferung verlangen kann.

Auf EU-Ebene hat man sich dafür entschieden, den Tierkauf ausdrücklich von den allgemeinen Regelungen zur Gewährleistung beim Warenkauf auszunehmen. Dies führt dazu, dass in den einzelnen Mitgliedstaaten jetzt sehr unterschiedliche Regelungen gelten.

Das österreichische Recht sieht beispielsweise besondere Bestimmungen für den Tierkauf vor. Nur wenn es keine Sonderregelungen gibt, sind auf Tiere ebenfalls die allgemeinen Regeln zur Gewährleistung anwendbar. Auch in Frankreich fallen seit dem 01. Januar 2022 Tiere nicht mehr unter die allgemeinen Regeln zur Gewährleistung, es sei denn, die Parteien haben dies ausdrücklich so vereinbart. In Deutschland ist geregelt, dass Tiere keine Sachen sind. Die allgemeinen Vorschriften zur Gewährleistung werden aber dennoch auf sie angewandt.

Gewährleistung: Online-Tierkauf von einer gewerblichen Händlerin oder von einem gewerblichen Händler

Unter anderem in Luxemburg, den Niederlanden aber auch in Deutschland gelten für Tiere die allgemeinen Regeln zur gesetzlichen Gewährleistung.

Das bedeutet für Ihren Tierkauf folgendes:

Kaufen Sie bei einem Gewerbetreibenden können Sie prinzipiell zwischen Nachbesserung oder Neulieferung eines „mangelfreien Tieres“ wählen. Mangelfreies Tier, Reparatur, Ersatz – jedem Tierfan stehen bei diesen Worten bereits die Haare zu Berge. Denn klar ist: Ein Tier ist ein individuelles Lebewesen, an das man sich schnell gewöhnt.

Falls keine besonderen Vereinbarungen mit der Verkäuferin oder dem Verkäufer getroffen wurden, gibt es bei Tieren deshalb auch keine „Idealnorm“. Es kann jedoch zumindest ein durchschnittliches Tier erwartet werden. Eine Ersatzlieferung kommt meist nicht in Frage, weil bereits eine Bindung zum Tier aufgebaut wurde. Aus diesem Grund werden die meisten Kundinnen und Kunden nicht vollständig vom Kaufvertrag zurücktreten wollen.

Alternativ besteht die Möglichkeit, den Kaufpreis zu mindern. Das setzt aber voraus, dass der Verkäuferin bzw. dem Verkäufer zunächst zumindest die Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben wurde. Bei heilbaren Krankheiten sollte man  zuerst die Behandlung durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt verlangen. In Notfällen kann es aus Tierschutzgründen erforderlich sein, die Tierärztin oder den Tierarzt sofort aufzusuchen. Die Kosten können später als Schadensersatz von der Verkäuferin bzw. dem Verkäufer eingefordert werden. 

Gewährleistung: Online-Tierkauf von einer Privatperson

Kaufen Sie bei einer Privatperson, sieht es anders aus. Hier kann die Gewährleistung im Kaufvertrag ausgeschlossen werden. Sie können dann in der Regel bei einem erkrankten Tier keine Forderungen an den Verkäufer oder die Verkäuferin stellen. Der vereinbarte Ausschluss der Gewährleistung kann jedoch unwirksam sein, wenn der Verkäufer oder die Verkäuferin von der Krankheit des Tieres wusste und diese arglistig verschwiegen hat oder die Gesundheit des Tieres garantiert hat.

Wer muss beweisen, dass das Tier krank ist?

Wenn das Tier kurz nach dem Kauf erkrankt, wird zugunsten der Käuferin oder des Käufers vermutet, dass das Tier bereits bei der Übergabe „mangelhaft“ war. Man spricht dann von Beweislastumkehr.

Zum 1. Januar 2022 wurde die Frist für die Beweislastumkehr für Waren europaweit auf mindestens ein Jahr verlängert. Der Tierkauf bildet auch hier eine Ausnahme. In Deutschland zum Beispiel gilt diese Vermutung beim Kauf von Tieren daher weiterhin nur in den ersten sechs Monaten nach dem Kauf.

Hilfe bei Problemen mit einer Tierhändlerin oder einem Tierhändler aus der Europäischen Union

„Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich vorab bewusstmachen, dass ihre Rechte beim Tierkauf EU-weit sehr unterschiedlich geregelt sind“, sagt Julia Kreidel, Juristin beim Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland.

Weitere Tipps für einen gelungenen Tierkauf finden Sie auf unserer Internetseite.

Hilfebei Fragen und Problemen mit einem gewerblichen Tierhändler aus einem anderen EU-Land, Island, Norwegen oder dem Vereinigten Königreich erhalten Sie beim Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland

Jetzt auch im Podcast

Hören Sie rein in unseren Podcast "Hilfe, mein Haustier ist kaputt", zum Beispiel auf Spotify. Julia Kreidel, Juristin am Europäischen Verbraucherzentrum Deutschland erklärt, was rechtlich gilt, wenn ein online erworbenes Tier krank in seinem neuen Zuhause ankommt.

 

 

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