‚Greenwashing‘ im Alltag: Wenn Nachhaltigkeit mehr Schein als Sein ist
Der Begriff ist in aller Munde, was aber genau bedeutet eigentlich „Greenwashing“? Was müssen Verbraucherinnen und Verbraucher wissen und was können sie tun, um nicht selbst Opfer dieser Täuschung zu werden? Wie hilft die Europäische Union? Fragen über Fragen – das Team des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Deutschland weiß Antwort.

Zusammenfassung
- Definition: Was ist Greenwashing?
- Häufige Praktiken: Wie betreiben Unternehmen Greenwashing?
- Verbrauchertipps: Was kann man dagegen tun?
- EU-Gesetzgebung: Was tut die Politik?
Was ist Greenwashing?
Die Übersetzung der beiden Wortteile umreißt ganz gut, worum es geht: Die englischen Worte "green", "grün", also umweltfreundlich, und "whitewashing", zu Deutsch "beschönigen", es könnte also sinngemäß mit ‚Grünfärberei‘ übersetzt werden. Im Alltag heißt das, Unternehmen nutzen gezielte Marketingstrategien, um ihre Produkte oder Geschäftspraktiken umweltfreundlich darzustellen. Auch wenn das gar nicht tatsächlich der Fall ist. Das Ziel? Verbrauchern ein gutes Gefühl geben und sie dadurch zum Kauf motivieren. Denn immer mehr Menschen versuchen nachhaltiger wie umweltbewusster zu leben. Deshalb achten und vertrauen sie auf diese Versprechen.
Hinweise auf Greenwashing erkennen
Greenwashing zeigt sich häufig in der Verwendung von vagen Begriffen wie „umweltfreundlich“, „natürlich“ oder „nachhaltig“. Diese Formulierungen sind jedoch oft nicht genau definiert oder überprüfbar: Sie suggerieren ökologische Vorteile, die in der Realität fehlen oder schwer nachvollziehbar sind. Beispielsweise können Produkte als „biologisch abbaubar“ bezeichnet werden, ohne dass klar wird, unter welchen Bedingungen das tatsächlich möglich ist. Solch unkonkrete Formulierungen lassen sich leicht auf Verpackungen drucken und vermitteln ein grünes Image. Im Kern bleiben sie jedoch wirkungslos. Bisher gibt es keine klaren gesetzlichen Regelungen, die vorschreiben, was solche Begriffe in der Praxis bedeuten müssen. Bisher ergangene Urteile beurteilen diese Aussagen oft nach den Maßstäben des UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb).
Ein weiteres Merkmal von Greenwashing ist die Betonung kleiner, unwesentlicher Schritte, die als große Fortschritte dargestellt werden. Statt Plastikverpackungen setzt ein Unternehmen auf die „ökologische“ Alternative: Pappkartons. Getreu dem Motto – „außen hui, innen pfui“, bleibt der eigentliche Produktionsprozess eines Artikels trotzdem CO2-intensiv oder bringt andere umweltschädliche Auswirkungen mit sich. Dieser Schritt bringt also lediglich einen grünen Anstrich, ohne tatsächlich etwas Substanzielles zu verändern. Solche Strategien beruhen auf der Hoffnung, dass sich Konsumenten mit kleinen sichtbaren Veränderungen zufriedengeben, während die wirklich schädlichen Praktiken im Hintergrund unberührt bleiben.
Greenwashing gibt es auch in der Modeindustrie: Große Modeketten präsentieren regelmäßig Kollektionen, die angeblich aus recycelten oder nachhaltigen Materialien bestehen. Dabei machen diese Kollektionen oft nur einen Bruchteil des gesamten Sortiments aus. Der Großteil der Produktion folgt weiterhin den Prinzipien der sogenannten ‚Fast Fashion‘: Massenproduktion, niedrige Kosten, kurze Lebensdauer und oft schlechte Arbeitsbedingungen. Hier gilt es, den gesamten Ansatz des Unternehmens zu hinterfragen und sich nicht von isolierten Initiativen blenden zu lassen, die allein dem Image dienen.
Die häufigsten Praktiken zusammengefasst:
- Vage Begriffe und unklare Labels: Begriffe wie "natürlich", "umweltfreundlich" oder "klimaneutral" sind oft nicht klar definiert. Ohne Zertifizierungen oder unabhängige Nachweise sind das in aller Regel leere Versprechen.
- Kleinteilige Versprechen: Einige Unternehmen behaupten, einen positiven Einfluss auf die Umwelt zu haben, indem sie kleine Maßnahmen hervorheben (zum Beispiel die Reduktion von Plastik). Das lenkt davon ab, dass die Gesamtbilanz weiterhin schädlich bleibt.
- Werbung mit Selbstverständlichkeiten oder irrelevanten Aussagen: Manche Anbieter preisen Eigenschaften ihrer Produkte an, die entweder gesetzlich vorgeschrieben oder ohnehin gegeben sind. Das wird dann als ökologischer Mehrwert dargestellt. Ein Beispiel dafür sind Produkte, die noch immer als ‚FCKW-frei‘ beworben werden, obwohl das seit langem gesetzlich vorgeschrieben ist.
- Falsche Label: Es gibt eine Vielzahl nicht regulierter Siegel und Symbole, die umweltfreundlich wirken, aber keine offizielle Bedeutung haben. Deshalb immer genau hinsehen.
- Falsche Behauptungen: Manche Anbieter machen ungenaue oder irreführende Angaben zu ihren Produkten. Ein häufiges Beispiel ist die Aussage, dass ein Produkt vollständig aus recyceltem Material besteht, obwohl der tatsächliche Anteil deutlich geringer ist. Solche Angaben sind oft schwer überprüfbar, da Produkt- und Lieferketten komplex sind und den Konsumenten beim Einkauf nicht immer die nötigen Informationen zur Verfügung stehen.
In der Vergangenheit gab es bereits einige Gerichtsentscheidungen, die diese Praktiken verbieten beziehungsweise die Anforderungen und Begriffe präzisieren sollten. Letztlich führte das aber zu einem „Flickenteppich“, der auch aktuell noch besteht: auf nationaler Ebene, aber auch innerhalb Europas. Das bedeutet: Gerichte müssen im Zweifel mühsam prüfen, wie im Einzelfall verfahren wird.
Sich nicht täuschen lassen
Greenwashing wird vor allem deshalb angewandt, weil der Druck auf Unternehmen steigt, ökologisch verantwortungsvoll zu handeln. Doch die Entscheidung für echte Nachhaltigkeit erfordert oft größere Investitionen und tiefgreifende Veränderungen in der Produktion. Da ist die Praxis des Greenwashing natürlich verführerisch: Kostengünstig und schnell das Image eines Unternehmens verbessern, ohne wirklich signifikante Anpassungen vornehmen zu müssen. Daher ist es für Verbraucher entscheidend, den eigenen Blick zu schärfen und sich nicht von oberflächlichen Marketingstrategien täuschen zu lassen.
Unternehmen, die echte Nachhaltigkeit anstreben, legen oft detaillierte Informationen über ihre Lieferketten, Produktionsprozesse und Umweltziele offen. Diese Transparenz ist ein wichtiges Zeichen dafür, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Marketing-Trick ist, sondern Leitmotiv des Unternehmens. Dadurch sind sie in der Lage, ihre Umweltmaßnahmen klar und nachvollziehbar zu kommunizieren (was sie seit einem Urteil des Bundesgerichtshofes im Sommer 2024 ohnehin müssen). Darüber hinaus können unabhängige Zertifizierungen und Prüfsiegel noch mehr Sicherheit bieten. Sie basieren auf internationalen Standards, können nicht einfach erfunden oder manipuliert werden.
Ein kritischer Blick auf Werbung und Verpackungen reicht nicht aus. Oft müssten tiefere Recherchen angestellt werden, um die tatsächlichen ökologischen Auswirkungen eines Produkts zu verstehen. Dabei helfen inzwischen diverse Apps und Online-Plattformen. Sie bewerten die Nachhaltigkeit von Produkten sowie dem Unternehmen als Ganzes.
Wie man sich schützt
- Siegel sind glaubwürdig – wenn sie offiziell geprüft sind. Unabhängige Umweltzertifizierungen wie der Blaue Engel, das EU-Ecolabel, Fair Trade oder das FSC-Siegel für Holzprodukte basieren auf strengen Richtlinien und bieten mehr Glaubwürdigkeit als selbst kreierte Labels.
- Werbeversprechen sind oft mit Vorsicht zu genießen. Es lohnt sich, tiefer zu recherchieren, wie ein Produkt tatsächlich hergestellt wird. Wie transparent ist das Unternehmen? Externe Websites und Berichte geben häufig Aufschluss darüber, wie ernst Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsziele nehmen. Seit Juli 2024 sind große und börsennotierte Unternehmen sogar selbst zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESG-Reporting) verpflichtet. Auch Apps und Tools können helfen. Plattformen wie ‚CodeCheck‘ oder ‚Rank a Brand‘ bieten nützliche Informationen über den ökologischen Fußabdruck von Unternehmen und Produkten.
- Vorsicht vor unklaren Begriffen. Finden sich Bezeichnungen wie "biologisch abbaubar", "nachhaltig" oder "natürlich" ohne weitere Erläuterungen auf Verpackungen, klingt das zwar toll, sagt aber wenig über die tatsächlichen Umweltauswirkungen.
- Langlebige Produkte sind eine gute Wahl gegen Greenwashing. Hochwertige und haltbare Produkte müssen seltener ersetzt werden und schonen die Umwelt, unabhängig von Marketingversprechen. Wer günstig kauft, kauft zwei Mal.
- Die Unternehmensphilosophie sollte ganzheitlich nachhaltig sein. Die gesamte Wertschöpfungskette, von fairen Arbeitsbedingungen bis zu CO2-Emissionen und Ressourcenschonung, sollte berücksichtigt werden. Nur in einem Bereich umweltfreundlich zu handeln, ist also sehr wahrscheinlich nur Grünfärberei.
- Übermäßigen Konsum hinterfragen. Käufe wohl überlegen, Dinge reparieren, wiederverwenden oder leihen, ist oft die umweltfreundlichere Entscheidung. Das minimiert Abfall und die Nachfrage nach neuen Produkten reduziert sich.
Politisches Gegenlenken
Solche Handlungsoptionen sind zwar gut, doch letzten Endes implizieren sie eins sehr deutlich: Die Verantwortung liegt bisher überwiegend bei den Verbrauchern. Das wollen die Politiker der EU ändern. Im Jahr 2024 haben sie deshalb das Gesetzespaket zur "Stärkung der Verbraucherinnen und Verbraucher im Grünen Wandel“ (EmpCo) beschlossen. Positiver Nebeneffekt: Aus dem europäischen „Flickenteppich“ wird ein vereinheitlichter Rechtsrahmen.
Ein Kernanliegen des Beschlusses: Umweltbezogene Werbung wird an strenge Voraussetzungen geknüpft. Das schafft einerseits Transparenz für Verbraucher und andererseits Druck auf die Unternehmen. Diese müssen tatsächlich aktiv werden, wenn sie mit Umweltaussagen werben wollen. Wie die Kriterien im Detail aussehen, formuliert die sogenannte ‚Green Claims Directive‘ („Richtlinie über Umweltaussagen“).
Dieses Gesetzespaket schafft zudem europaweit einen vereinheitlichen Rechtsrahmen.
Die Vorschriften müssen bis zum 27. März 2026 in deutsches Recht umgesetzt werden und finden dann ab dem 27. September 2026 Anwendung.
Die Vorgaben
- Verbot von "eigenen" Nachhaltigkeitssiegeln, die weder auf einem Zertifizierungssystem basieren, noch von staatlichen Stellen festgesetzt wurden.
- Verbot von allgemeinen Umweltaussagen, die nicht nachgewiesen werden können.
- Verbot von Umweltaussagen, die sich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder eine bestimmte Aktivität der Geschäftstätigkeit beziehen.
- Verbot der Werbung mit Kompensation von Treibhausgasemissionen und Verbot irreführender Geschäftspraktiken, einschließlich falscher Angaben über soziale Produktmerkmale und künftige Umweltleistungen.
- Verbot sogenannter frühzeitiger Obsoleszenz, also der in Kauf genommene oder bewusst herbeigeführte vorzeitige Verschleiß von Produkten, die eigentlich viel länger halten könnten.
Verstöße können zu Unterlassungs-, Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen führen, auch von Verbrauchern.
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