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Der Europäische Behindertenausweis

Ab 2028 wird das Reisen innerhalb der EU für Menschen mit Behinderung einfacher. Denn dann gilt der Europäische Behindertenausweis, kurz EU-Behindertenausweis. Das bedeutet, dass Menschen, die über einen anerkannten Behindertenstatus verfügen, europaweit die gleichen Sonderkonditionen und Vorzugsbehandlungen in Anspruch nehmen können, wie die Bewohner des Landes, in das sie reisen.

Doch wie sieht die aktuelle Situation aus? Wann kommt der EU-Behindertenausweis? Welche Vorteile bietet er? Das Europäische Verbraucherzentrum Deutschland informiert.

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Europäische Behindertenausweis kommt voraussichtlich am 5. Juni 2028.
  • Der Behindertenstatus wird dann europaweit anerkannt.
  • Menschen mit Behinderungen sowie deren Assistenten und Begleitpersonen können bei Reisen und Kurzaufenthalten in einem anderen EU-Land die gleichen Sonderkonditionen und Vorzugsbehandlungen in Anspruch nehmen wie Menschen mit Behinderung, die dort ihren Wohnsitz haben.
  • Die Vorteile des EU-Behindertenausweises: freier Eintritt, Ermäßigungen, vorrangiger Zugang, persönliche AssistenzkräfteBrailleschrift oder AudioguidesMobilitätshilfen und Assistenztiere.

Der nationale Behindertenausweis - die aktuelle Situation

Stellen Sie sich folgende Situation vor: Eine Rollstuhlfahrerin aus Deutschland plant zusammen mit ihrer Begleitperson eine Reise von Österreich nach Rumänien. Die Strecke wird von der rumänischen Staatsbahn betrieben, bei der auch die Fahrkarten gebucht werden. Von Deutschland ist sie es gewohnt, dass ihre Begleitperson kostenlos mitreisen darf – doch bei der rumänischen Staatsbahn ist das leider nicht möglich.

Dies ist nur ein Beispiel für die zahlreichen Hürden, denen sich Menschen mit Behinderungen auf Reisen in ein anderes EU-Land gegenübersehen – vor allem, weil es bislang keine europaweite Harmonisierung und keine gegenseitige Anerkennung der nationalen Behindertenausweise gibt. Auch der kostenlose oder ermäßigte Eintritt für Museen und Veranstaltungen bleibt oft nur denjenigen vorbehalten, die im jeweiligen Land leben und einen nationalen Behindertenausweis besitzen.

Anerkennung nationaler Ausweise

Ob in Museen, bei Kultur- oder Sportveranstaltungen nationale Behindertenausweise aus anderen EU-Ländern anerkannt werden und zu kostenlosen oder ermäßigten Eintritten berechtigen, ist derzeit vom jeweiligen Anbieter abhängig. Fragen Sie einfach nach! Oftmals klappt es.

Wer in einem anderen EU-Land mit dem öffentlichen Personenverkehr fahren und die landespezifischen Vorteile nutzen möchte, hat dazu bislang keine Möglichkeit. Auch die kostenlose Mitnahme von Begleitpersonen ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Was ist das Ziel des Europäischen Behindertenausweises?

Ziel des Europäischen Behindertenausweises (auf Englisch: „European Disability Card“, abgekürzt EDC) ist es, die Freizügigkeit und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen in der EU zu stärken – insbesondere bei Kurzaufenthalten in anderen Mitgliedstaaten.

Bislang wird der nationale Behindertenausweis, wie beispielsweise der Schwerbehindertenausweis in Deutschland oder die Carte Mobilité Inclusion (CMI) in Frankreich, lediglich im jeweiligen Ausstellland anerkannt. Dies führt dazu, dass Menschen mit Behinderung, die ihren Urlaub in einem anderen EU-Land verbringen möchten, nicht in den Genuss der Vorteile kommen, die die Einwohner dieses Landes mit Behinderung dort nutzen können. Das wird sich 2028 mit der Einführung des neuen Europäischen Behindertenausweises ändern.

Welche Vorteile bringt der Europäische Behindertenausweis?

  • Gegenseitige Anerkennung des Behindertenstatus. Das bedeutet, dass ein in Deutschland ausgestellter EU-Behindertenausweisin jedem anderen EU-Land, z. B. auch bei einem Urlaub in Griechenland, anerkannt wird. Und umgekehrt.
  • Menschen mit Behinderung sowie deren Assistenzkräfte und Begleitpersonen können bei Reisen und Kurzaufenthalten (bis zu 3 Monaten) in einem anderen EU-Land die gleichen Sonderkonditionen und Vorzugsbehandlungen in Anspruch nehmen wie Menschen mit Behinderung, die ihren Wohnsitz in diesem Land haben. Auch Assistenztiere sind eingeschlossen.
  • Europaweite Informationen über verfügbare Sonderkonditionen und Vorzugsbehandlungen. So müssen beispielsweise grenzüberschreitend tätige Personenverkehrsdienste wie beispielsweise Bahn-, Bus- und Fährunternehmen über angebotene Sonderkonditionen und Vorzugsbehandlungen informieren.

Definitionen

Assistenzkräfte
unterstützen Personen mit Behinderung im Alltag und ermöglichen ihnen somit ein selbstbestimmtes Leben. Sie übernehmen praktische oder medizinische Aufgaben und verfügen häufig über eine fachspezifische Ausbildung. Hier liegt in der Regel ein Arbeitsvertrag zugrunde.
 

Begleitpersonen
bieten Unterstützung bei bestimmten Anlässen, zum Beispiel während einer Reise. Sie verfügen nicht zwingend über eine fachspezifische Ausbildung. Zu den Begleitpersonen zählen zum Beispiel auch Familienmitglieder und Freunde. Eine vertragliche Bindung liegt normalerweise nicht vor.
 

Sonderkonditionen
bieten finanzielle oder praktische Entlastungen für Menschen mit Behinderung, wie beispielsweise ermäßigte Fahrkarten oder der kostenlose Zugang zu Museen. Voraussetzung ist in der Regel ein Behindertenausweis.
 

Vorzugsbehandlungen
sichern die gleichberechtigte Teilhabe, zum Beispiel durch reservierte Sitzplätze in Verkehrsmitteln oder direkten Zugang zu Veranstaltungen.

Fragen und Antworten zum EU-Behindertenausweis

  • Personenverkehrsdienste, z. B. Bus und Bahn
  • Dienstleistungen, z. B. handwerkliche, freiberufliche, gewerbliche, kaufmännische Tätigkeiten
  • Aktivitäten und Einrichtungen, z. B. Schwimmbäder, Museen, Behörden, Beratungsstellen
  • Unterstützung bei Mobilitätsprogrammen der Europäischen Union, die auch länger als 3 Monate dauern können, zum Beispiel Erasmus+

Die Vorteile des Europäischen Behindertenausweises unterscheiden sich von Land zu Land und können folgende Leistungen umfassen:

  • Freier Eintritt, z. B. in Museen, in Konzerte
  • Ermäßigungen, z. B. bei Veranstaltungen
  • Vorrangiger Zugang, z. B. bei Konzerten, um nicht in der Schlange am Einlass warten zu müssen oder spezielle Plätze in öffentlichen Verkehrsmitteln
  • Persönliche Assistenzkräfte, z. B. kostenlose Mitnahme bei Bahnfahrten oder bei Veranstaltungen
  • Brailleschrift oder Audioguides, z. B. in Museen
  • Mobilitätshilfen, z. B. Zugang zu Hilfsmitteln wie Rollstühlen in Museen oder bei Gartenschauen
  • Assistenztiere, z. B. kostenlose Mitnahme in Bus und Bahn

Voraussichtlich am 5. Juni 2028.

Die Richtlinie wurde am 23. Oktober 2024 vom Europäischen Parlament und dem Rat der Europäischen Union verabschiedet und trat am 4. Dezember 2024 in Kraft.  Die EU-Mitgliedstaaten haben nun bis 5. Juni 2027 Zeit, die EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Angewandt werden die neuen Rechts- und Verwaltungsvorschriften dann ab dem 5. Juni 2028.

Der EU-Behindertenausweis gilt im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Das heißt, er gilt in allen EU-Ländern sowie in Island, Liechtenstein und Norwegen.

  • Der Europäische Behindertenausweis ist dunkel- und hellblau gestaltet und hat die Größe einer Kreditkarte.
  • Er ist zweisprachig. Einmal auf Englisch und einmal in der Sprache des Landes, das den Ausweis ausstellt.
  • Auf der Vorderseite gibt es ein Foto des Ausweisinhabers, den Ländercode (in Deutschland DE) sowie folgende Angaben: Die Bezeichnung „Europäischer Behindertenausweis“, Vorname, Nachname, Geburtsdatum der Karteninhaberin bzw. des -inhabers. Darüber hinaus die Kartenummer sowie das Ausstellungs- und das Ablaufdatum. Außerdem kann der Buchstabe „A“ hinzugefügt werden, wenn der Ausweisinhaber Anspruch auf eine Begleitung durch Assistenzkräfte, andere anerkannte Begleitpersonen oder Assistenztiere hat.
  • Auf der Rückseite wird ein QR-Code oder ein anderes digitales Kennzeichen aufgedruckt, das z. B. vor Betrug schützt. Darüber hinaus können Informationen hinzugefügt werden, die der jeweilige Staat vorsieht.
  • Der Ausweis soll sowohl in digitaler Form als auch in physischer Form zur Verfügung gestellt werden.

Der EU-Behindertenausweis wird von den zuständigen nationalen Behörden ausgestellt. Wer seinen Wohnsitz in Deutschland hat, muss sich an die deutschen Behörden wenden. Wer in Spanien wohnt, an die spanischen usw.

Der EU-Behindertenausweis ist kostenlos. Auch die Verlängerung ist kostenlos. Geht der Ausweis allerdings verloren und muss neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr fällig werden.

In der Richtlinie (EU) 2024/2841 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2024 zur Einführung des Europäischen Behindertenausweises und des Europäischen Parkausweises für Menschen mit Behinderungen.

Das Pilotprojekt: Einführung des EU-Behindertenausweises

Der EU-Behindertenausweis wurde im Rahmen eines inzwischen abgeschlossenen Pilotprojekts in folgenden EU-Mitgliedstaaten versuchsweise eingeführt: Belgien, Estland, Finnland, Italien, Malta, Rumänien, Slowenien und Zypern.

Der Ausweis gilt in den Pilot-Projektländern auch weiterhin, genauso wie die gegenseitige Anerkennung.

Kommen durch die Umsetzung der EU-Richtlinie nach und nach neue Europäische Behindertenausweise hinzu, werden diese von den Pilotprojektländern voraussichtlich ab 5. Juni 2028 anerkannt.

Unser Tipp:
Fragen Sie nach, ob Sie Ihren Europäischen Behindertenausweis bereits vor dem 5. Juni 2028 in den Pilotprojektländern nutzen können.

Bleibt die Frage: Für welche Bereiche galt und gilt der Ausweis im Rahmen des Pilotprojekts? In den meisten Pilotprojektländern wie beispielsweise Belgien, Rumänien und Slowenien gilt der EU-Behindertenausweis für Sport, Kultur und Freizeit, aber nicht für den öffentlichen Personenverkehr. Anders in Zypern und Finnland: Hier ist der Europäische Behindertenausweis auch im öffentlichen Personenverkehr gültig.

Vergünstigungen im Rahmen des Pilotprojekts

Folgende Vergünstigungen gab und gibt es für die Inhaberinnen und Inhaber des EU-Behindertenausweises in den Ländern des Pilotprojektes:

Belgien                (auf Deutsch)

Finnland              (auf Englisch)

Malta                   (auf Englisch)

Rumänien           (auf Englisch)

Slowenien           (Sprache kann auf Englisch umgestellt werden)

Zypern                 (auf Englisch)


Auch beim Pilotprojekt unterscheiden sich die Sonderkonditionen und Vorzugsbehandlungen für Menschen, die über einen Europäischen Behindertenausweis verfügen, von EU-Land zu EU-Land. Daran wird sich 2028 auch nichts ändern. Denn die Vorteile sind von den nationalen Regelungen abhängig. Folglich betrifft die Harmonisierung des Behindertenausweises auf europaweiter Ebene in erster Linie die einheitliche Anerkennung des Behindertenstatus, nicht aber die Vereinheitlichung der jeweiligen Nachteilsausgleiche.

 

Der deutsche Schwerbehindertenausweis - Tipps für Reisen in ein anderes EU-Land

1. Informieren Sie sich rechtzeitig
Der deutsche Schwerbehindertenausweis gilt grundsätzlich nur in Deutschland. Fragen Sie daher vor dem Urlaub bei den zuständigen Stellen (Fremdenverkehrsamt, Hotels, Verkehrsgesellschaften, Museen, Anbieter vor Ort) nach barrierefreien Angeboten bzw. nach möglichen Vergünstigungen.
 

2. Barrierefreie Anreise und Unterkunft planen
Nicht alle Hotels oder Verkehrsmittel sind barrierefrei zugänglich. Eine vorherige Abklärung ist empfehlenswert. Fragen Sie bei Buchung konkret nach barrierefreien Zimmern und Einrichtungen. Nutzen Sie bei Bedarf spezialisierte Reiseveranstalter oder Mobilitätsdienste. Melden Sie Hilfeleistungen rechtzeitig an, z. B. bei der Bahn oder bei der Fluggesellschaft.
 

3. Öffentliche Verkehrsmittel: Prüfen Sie Sonderkonditionen
Fragen Sie direkt beim Bahn-, Bus- oder Fährunternehmen nach, ob es Ermäßigungen, barrierefreie Plätze oder spezielle Regelungen für Menschen mit Behinderung gibt.
 

4. Reisen mit Begleitperson oder Assistenzkraft
Die kostenfreie Mitnahme einer Begleitperson, wie sie in Deutschland möglich ist, gilt im EU-Ausland meist nicht. Klären Sie daher im Voraus, ob die Begleitperson ein eigenes Ticket benötigt oder ob es besondere Services für Reisende mit Assistenzbedarf gibt.
 

5. Eintrittsermäßigungen bei Kultur- und Freizeitangeboten – vor Ort
Ermäßigungen für Museen, Veranstaltungen oder Sehenswürdigkeiten gelten häufig nur für Personen mit dem Behindertenausweis des jeweiligen Landes. Zeigen Sie dennoch vor Ort den deutschen Behindertenausweis vor, und fragen Sie nach möglichen Ermäßigungen. Viele Einrichtungen zeigen sich kulant und gewähren Menschen mit ausländischen Behindertenausweisen ebenfalls eine Ermäßigung.
 

6. Führen Sie übersetzte Unterlagen mit
Für bestimmte Situationen, zum Beispiel bei Flügen oder bei medizinischen Notfällen, kann es hilfreich sein, eine englischsprachige ärztliche Bescheinigung oder eine Übersetzung des Behindertenausweises dabei zu haben.

Die Bescheinigung sollte Ihre Behinderung, den Unterstützungsbedarf sowie ggf. die empfohlenen Assistenzmaßnahmen umfassen. Ausgestellt werden die Bescheinigungen zum Beispiel von Ihrem behandelnden Arzt oder von Ihrem Facharzt (z. B. Neurologe, Orthopäde, Psychiater). Haben Sie die Zusammenfassung selbst erstellt, lassen Sie sich diese von Ihrem Arzt oder Facharzt, der Ihre Diagnose kennt, bestätigen.
 

7. Notfallvorsorge und medizinische Versorgung
Vor einer Reise innerhalb der EU sollten Menschen mit Behinderung einige Vorkehrungen treffen, um im Notfall gut abgesichert zu sein. Die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) sollte stets mitgeführt werden, da sie eine medizinische Grundversorgung im EU-Ausland ermöglicht. Eine zusätzliche Auslandsreisekrankenversicherung ist ebenfalls hilfreich.

Zusätzlich empfiehlt es sich, eine Liste aller regelmäßig eingenommenen Medikamente sowie relevanter Diagnosen in englischer Sprache anzufertigen – das erleichtert die Kommunikation mit medizinischem Personal vor Ort.

Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich bereits im Vorfeld über barrierefreie medizinische Einrichtungen im Zielland zu informieren, um im Ernstfall schnell und unkompliziert Hilfe in Anspruch nehmen zu können.

Finanziert durch die Europäische Union. Die geäußerten Ansichten und Meinungen sind jedoch ausschließlich die des Autors / der Autoren und spiegeln nicht unbedingt die der Europäischen Union oder des Europäischen Innovationsrates und der Exekutivagentur für kleine und mittlere Unternehmen (EISMEA) wider. Weder die Europäische Union noch die Bewilligungsbehörde können dafür zur Verantwortung gezogen werden.

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