Dark Patterns: Wie Internetseiten unser Nutzerverhalten manipulieren

Ein Produkt, das am Ende des Bestellvorgangs noch schnell hinzugefügt wird, ein besonders hervorgehobener Button, eine vorwurfsvoll klingende Nachricht, weil ein Rabatt abgelehnt wurde, ein im Handumdrehen bestellbares, aber schier unkündbares Abo … - sogenannte „Dark Patterns“ (deutsch: „dunkle Muster“) lassen grüßen.

Viele Webseiten, Apps, Soziale Medien oder Suchmaschinen nutzen technische Möglichkeiten, um unser Verhalten zu beeinflussen, damit wir klicken, kaufen, abonnieren oder sogar persönliche Daten preisgeben.

Wie erkennt man diese Manipulationstechniken und wie kann man sie umgehen? Denn: „Dark Patterns“ sind in Europa (noch) nicht grundsätzlich verboten.

Wie Online-Shops Verbraucherinnen und Verbraucher zum Kauf verleiten

Marketing-Strategien wie „Dark Patterns“ machen sich menschliche Eigenschaften zu Nutze. Sie spielen mit Neigungen wie Bequemlichkeit, Gier oder Eitelkeit und locken mit zusätzlichen Leistungen oder „kostenlosen“ Geschenken. Einige Beispiele:

  • Am Ende des Buchungs- oder Bestellvorgangs wird eine zusätzliche Dienstleistung oder ein Produkt hinzugefügt, das die Verbraucherinnen und Verbraucher eigentlich gar nicht haben möchten. Um den Vorgang nicht abbrechen und erneut beginnen zu müssen, zahlen sie den meist erschwinglichen, zusätzlichen Betrag. Beispiele: Aufgabegepäck für den Flug, Express-Versand bei Warenbestellungen, Leihgebühren für Bettwäsche und Handtücher bei der Ferienbuchung.
     
  • Es erscheint der Hinweis, dass nur ein wenig mehr Geld ausgegeben werden muss, um in den Genuss weiterer Extras zu kommen. Beispiele: Zusatzversicherung, Gratis-Produkte, Rabatt-Codes.
  • Eine vermeintlich „wichtige Nachricht“ erscheint auf dem Bildschirm – dabei handelt es sich auf den zweiten Blick lediglich um eine Werbeanzeige. Beispiel: „Ihre Bestellung wurde ausgeliefert.“
     
  • Es erscheint eine vorwurfsvoll klingende Nachricht, wenn die Bestellung abgebrochen oder ein Rabatt oder Produktvorschlag abgelehnt wurde. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen sich nach Erhalt der Nachricht für ihre Entscheidung schämen. Das wird als „Confirmshaming“ (Schuldzuweisung) bezeichnet. Beispiele: „Das ist aber schade!“, „Dein Einkaufskorb fühlt sich leer an. Brauchst Du eine Inspiration?“, "Nein danke, ich hasse es, Schnäppchen zu machen, ich zahle lieber den vollen Preis."
     
  • Ungenaue Formulierungen führen Verbraucherinnen und Verbraucher in die Irre. Verneinte Aussagen oder doppelte Negationen führen dazu, dass Nutzerinnen und Nutzer das Gegenteil verstehen und etwas auswählen, was sie eigentlich abwählen wollen. Beispiel: „Ich möchte keinen Newsletter verpassen.“
  • Gut sichtbare Slogans oder Pop-Ups suggerieren eine erhöhte Nachfrage und die vermeintliche Notwendigkeit, sich schnell für den Kauf zu entscheiden, denn sonst ist das Schnäppchen weg. Beispiele: „Nur noch 1 Produkt zu diesem Preis auf unserer Seite verfügbar“, „Zeitlich begrenztes Angebot“, „5 Personen sehen sich den Artikel in diesem Moment an.“
     
  • Der Warenkorb enthält bereits automatisch ein oder mehrere Produkte, die erst gelöscht werden müssen, falls Sie diese nicht bestellen möchten.
     
  • Kundenbewertungen oder Videos von Influencerinnen und Influencern preisen die Produkte an. Diese Erfahrungsberichte fallen auffällig positiv aus.

Wie Verbraucherinnen und Verbrauchern ungewollte Abos untergejubelt werden

  • Ein Pop-Up-Fenster bewirbt ein kostenloses Werbeprodukt und fordert zur Eingabe der Kreditkarteninformationen auf. Hier handelt es sich meist um ein verstecktes, kostenpflichtiges Abo mit Monats- oder Jahresbeiträgen, die über die Kreditkarte abgebucht werden.
     
  • Ein Artikel wird zum Sonderpreis angeboten. Wer zu diesem Preis bestellt, schließt gleichzeitig eine Mitgliedschaft ab.
     
  • Der Shop bietet Ihnen regelmäßige Lieferungen eines Produktes oder ähnlicher Produkte an, so lässt sich angeblich Geld sparen. Hier ist nicht nur fraglich, ob diese Produkte alle benötigt werden, sondern auch, wie und wann das Abo endet.

7 Tipps, um nicht auf Manipulationstechniken hereinzufallen

  • Prüfen Sie, ob sich ein Angebot trotz der Kostenaufschläge immer noch lohnt. Vergleichen Sie die Preise auf verschiedenen Webseiten.
     
  • Lass Sie sich durch Hinweise wie „Nur noch 1 Artikel auf Lager“ nicht unter Druck setzen.
     
  • Gleichen Sie Ihren Bedarf mit dem Angebot ab. So können Sie übermäßigen Konsum vermeiden.
     
  • Überprüfen Sie die Buchung oder Bestellung vor Abschluss noch einmal Punkt für Punkt. Löschen Sie unerwünschte Artikel/Optionen/Dienstleistungen.
     
  • Lesen Sie die Kontrollkästchen und Optionen sorgfältig durch.
     
  • Denken Sie daran, dass Sie möglicherweise ein Widerrufsrecht und damit 14 Tage Zeit haben, um Ihre Meinung zu ändern.
     
  • Befassen Sie sich mit den Kündigungsfristen, mehr dazu auf unserer Seite: Was ist ein Online Abo und wie kann ich es kündigen? (evz.de)

Wie Abos Nutzer fest im Griff haben

Das Abschließen eines Abonnements ist oft kinderleicht, doch eine Kündigung wird Verbraucherinnen und Verbrauchern erheblich erschwert. Gleichzeitig verlängert sich das Abo automatisch. Beispiele: Ein online abgeschlossenes Abonnement kann angeblich nur auf dem Postweg gekündigt werden; die Informationen zum Kündigungsprozess sind gut versteckt und der Kundenservice verweigert eine klare Auskunft.

Gut zu wissen:
Amazon Prime wurde von der EU-Kommission gezwungen, seinen Kündigungsprozess einfacher zu gestalten. Kundinnen und Kunden sollen sich in Zukunft nicht mehr durch mehrere Seiten klicken müssen, um den Dienst abzubestellen.

Häufig ist es sinnvoll, Software-Updates durchzuführen, weil zum Beispiel Sicherheitslücken geschlossen oder neue Funktionen eingeführt werden. Manchen Änderungen möchten Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht zustimmen. Doch oft kündigen Apps und Software diese Aktualisierungen als „unumgänglich“ oder absolut „notwendig“ an, eine Ablehnung ist nicht möglich.

Gut zu wissen:
Die EU-Kommission hat die Kommunikations-App „WhatsApp“ 2021 aufgefordert, klarzustellen, welche Änderungen an den Nutzungsbedingungen und der Datenschutzrichtlinie erfolgen werden, um sie mit dem EU-Recht in Einklang zu bringen. Denn beim letzten Update konnten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht wählen oder widersprechen. Sie wurden dazu gedrängt, neuen Nutzungsbedingungen und Änderungen im Datenschutz zuzustimmen, obwohl diese sehr schwer verständlich waren.

So sammeln Websites persönliche Daten der Nutzerinnen und Nutzer

Vorsicht ist geboten, wenn auf einer Internetseite oder in einem sozialen Netzwerk …

  • ein besserer Service versprochen wird, wenn die Standortermittlung eingeschaltet ist
     
  • Konten standartmäßig so eingestellt sind, dass persönliche Daten und Einträge für alle sichtbar sind
     
  • die Cookie-Auswahl „Alle akzeptieren“ als Standardauswahl vorgegeben und farblich hervorgehoben wird
     
  • ein Pop-Up-Fenster erscheint und die E-Mail-Adresse eingegeben werden soll, um ein Geschenk oder Zusatzinformationen zu erhalten.

Diese Techniken haben alle nur ein Ziel: Verbraucherinnen und Verbrauchern ihre persönlichen Daten zu entlocken. Diese lassen sich weiterverkaufen und sind insbesondere für ein gezieltes Marketing sehr wertvoll. Aus Wohnort und Nutzerverhalten lässt sich ableiten, welche Werbung für welche Nutzerin bzw. Nutzer interessant sein könnte. Mehr zum Thema Datenschutz: Datenschutz & Datensicherheit im Internet.

Welchen gesetzlichen Regelungen unterliegen die Dark Patterns in der EU?

Bisher gibt es weder eine einheitliche Definition von „Dark Patterns“ noch eine ausdrückliche Regelung auf EU-Ebene. Die manipulierenden Marketing-Strategien unterliegen jedoch unterschiedlichen Richtlinien und Verordnungen aus den Bereichen Wettbewerbsrecht, Verbraucherrecht, Datenschutzrecht und künstliche Intelligenz.

Manche Vorgehensweisen können als unlautere Geschäftsmethoden betrachtet werden. Das ist der Fall, wenn für ein als „kostenlos“ beworbenes Produkt gezahlt werden muss oder wenn mit attraktiven Preisen für Artikel geworben wird, die aber nicht lieferbar sind.

Die Europäische Kommission arbeitet daran, diese und ähnliche Vorgehensweisen im Internet zu unterbinden:

  • Sie will laut neuer Verbraucheragenda gegen „Dark Patterns“ vorgehen.
     
  • Der Kampf gegen manipulative Webseiten ist eine Priorität in ihrem Aktionsprogramm 2020-2025.
     
  • Das Gesetz über digitale Dienste („Digital Services Act“, DAS) und das Gesetz über digitale Märkte („Digital Markets Act“, DMA) schränken das Sammeln personenbezogener Daten und die Nutzung von Dark Patterns ein.
     
  • Am 16. Mai 2022 veröffentlichte die Europäische Kommission eine „Verhaltensstudie zu unlauteren Geschäftspraktiken im Internet“. Sie schlägt darin ein Verbot von Vorgehensweisen vor, die Verbraucherinnen und Verbraucher stark benachteiligen. Ferner könnten Gewerbetreibende zu einem fairen oder neutralen Design verpflichtet werden. Dazu sollen Leitlinien mit praktischen Beispielen erarbeitet werden.
     
  • Mit den Themen „Dark Patterns“, Direktmarketing und der Verwendung von Cookies befasst sich auch die neue ePrivacy-Verordnung zur Achtung der Privatsphäre im Rahmen von elektronischer Kommunikation.

Bis der gesetzliche Rahmen angepasst worden ist, können Datenschutzbehörden kontrollieren, ob Händlerinnen und Händler gegen Datenschutzvorschriften (DSGVO) verstoßen. In Deutschland gibt es sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene Datenschutzbeauftragte, die Behörden oder Unternehmen im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten überprüfen können. In einigen Bereichen gibt es spezifische Aufsichtsbehörden, wie zum Beispiel den Rundfunkdatenschutzbeauftragten.

Verschiedene Europäische Datenschutzbehörden veröffentlichen regelmäßig Empfehlungen, Studien und Richtlinien, um Verbraucherinnen und Verbraucher zu informieren:

  • In den Niederlanden hat die „Autoriteit Consument & Markt“ Richtlinien für Webdesigner und Entwickler zusammengestellt. Anschauliche Beispiele erläutern, was erlaubt oder verboten ist.
     
  • In Großbritannien wurde eine Marktstudie zum Thema Onlinehandel und digitaler Werbemarkt von der „Competition & Markets Authority“ durchgeführt.
     
  • Frankreich führte eine Aufklärungskampagne zum Thema Online-Betrug durch, um Verbraucherinnen und Verbraucher besser davor zu schützen. Eine Forschungsgruppe bewarb und verkaufte ein Produkt in einem extra dafür erstellten Online-Shop, indem Sie die gleichen Strategien verwendeten, wie Online-Betrüger. Verbraucherinnen und Verbraucher, die auf den „Betrug“ hereingefallen waren, wurden über die Hintergründe des Projekts aufgeklärt und erhielten weiterführende Informationen.

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